Einer der Gründe, warum sich manch einer gegen ein Leben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten entscheidet, ist oftmals die Annahme mangelnder Versorgung im "Alter" bzw. im Fall von "Pflegebedarf". Ist diese Annahme berechtigt? Wie ist es um das aktuelle Pflegesystem in Deutschland und vor allem in den USA bestellt?
Die Thematik des steigenden Pflegebedarfs ist in letzter Zeit immer wieder in den Medien und politischen Diskussionen präsent. Die Tatsache, dass die Menschen immer älter werden, aber auch dass Krankheiten wie Demenz im Vormarsch sind, lösen gewisse Ängste aus. Und dann gibt es noch Schlagzeilen wie jene in der Süddeutschen, „wonach Pfleger vor einem Kollaps in der Altenbetreuung“ warnen. Dies und mehr stellt das Pflegesystem in Deutschland auf eine harte Probe – doch wie gut ist es tatsächlich darum bestellt? Und wie verhält es sich im Vergleich zu dem in Amerika?
Tatsache ist, dass in Sachen Pflegebedarf und steigendem Aufwand meist von der älteren Bevölkerung ausgegangen wird. Immerhin sieht die Statistik auch einen zunehmenden Bedarf und spricht von 2,9 Millionen Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2020. Auch wenn eine hohe Anzahl der Betroffenen von Familienangehörigen und zu Hause gepflegt wird, steigt dennoch der Bedarf an professionellen Pflegekräften. Schlechtes Image, familienunfreundliche Dienstzeiten und enorme physische und psychische Herausforderungen machen den Beruf jedoch unattraktiv. Dem versuchte die Bundesregierung entgegenzuwirken und verabschiedete im Sommer dieses Jahres einige Maßnahmen. Dazu zählt, dass bezüglich der Ausbildung nicht mehr zwischen Alten- und Krankenpflege unterschieden wird, was vor allem Auswirkungen auf die Bezahlung der beiden Berufsgruppen hat. Hier soll es eine Verflachung der Verdienstkurve und in letzter Konsequenz eine fairere Bezahlung geben, wie der Pflegebeauftragte Laumann ankündigte.
Noch vor zwei Jahren wurden fast zwei Drittel aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, davon immerhin 1,73 Millionen ausschließlich von Angehörigen. Das stellt die Betroffenen vor riesige Herausforderungen – sei es bei der Tätigkeit selbst, aber auch im eigenen Leben, wo sie nicht nur mit der Belastung konfrontiert sind, sondern auch erheblichen Verdienstentfall hinnehmen mussten. Dies soll sich mit dem Gesetz, das nächstes Jahr in Kraft tritt, ändern. Angehörige sollen damit besser gestellt und vor allem abgesichert werden, immerhin würde das ganze Prinzip der Pflege nur funktionieren, wenn man auch auf diese Stütze zurückgreifen kann.
Abgesehen von der Tatsache, dass viele ambulant oder zu Hause gepflegt und in ihren alltäglichen Bedürfnissen unterstützt werden, gibt es natürlich auch ein System der stationären Pflege. Dazu gehören Seniorenheime mit Pflegeabteilungen, Krankenhäuser, Palliativeinrichtungen, geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen und Hospize, die je nach Intensität des Pflegeaufwandes und der Anforderungen für den Pflegebedarf auf die Bedürftigen eingehen.
Und genau hier liegen die enormen Herausforderungen und das Potential für die Unzufriedenheit zugleich:
Das Prinzip ist dabei einfach aufgebaut, denn ausgebildete Pflegekräfte unterstützen bzw. helfen den Patienten bei der Bewältigung der täglichen Herausforderungen und greifen im Bedarfsfall auch medizinisch nach Vorgabe einer Diagnose ein. In Deutschland funktioniert das Pflegewesen hauptsächlich dahingehend, dass auf einer Station das Personal eine Gruppe von Patienten täglich zu betreuen hat. Auch in der ambulanten Pflege funktioniert das Prinzip ähnlich, denn die mobile Pflegehelferin kommt nach Hause und hilft je nach Pflegestufe bei der Körperhygiene, bei der Bewältigung des Alltags und hat ein zeitliches Limit, um sich um jeden Einzelnen zu kümmern.
Ein richtiges persönliches Eingehen auf den Patienten und individueller Kontakt sind aufgrund des stark eingeschränkten Zeitpotentials kaum möglich. Das stellt die Betroffenen auf beiden Seiten vor große Herausforderungen und ist nicht zuletzt Ausgangspunkt für beiderseitige Unzufriedenheit.
Wie und wann ein Pflegebedürftiger betreut wird, hängt unter anderem vom Pflegesystem ab, das in der jeweiligen Einrichtung angewandt wird. Hier wird unterschieden zwischen patienten- und aufgabenbezogenen Systemen, die je nach Einstellung zum Pflegeaufwand generell positive und negative Aspekte aufweisen. Zu nennen sind hier die Funktionspflege und die Bezugspflege. Während bei Erstgenannter jeweils eine Pflegekraft eine Tätigkeit bei allen Patienten auf der Station vornimmt, basiert die Bezugspflege darauf, dass sich hier eine geschulte Person dezidiert auch nur um einen Pflegebedürftigen kümmert. Dies kommt dem US-amerikanischen System der Primary Nursing gleich.
In vielerlei Hinsicht wird Amerika als „das große Vorbild“ genannt und gilt als Vorzeigeland. Manch einer kann da die Frage stellen, wie man in den USA mit Pflegebedürftigen und alten Menschen umgeht. Dies ist schnell beantwortet, denn abgesehen von kleinen Unterschieden ist man hier wie da mit den gleichen Problemen konfrontiert. Das System der professionellen Pflegekräfte ist in den USA ähnlich schlecht bezahlt, dennoch – und das ist der entscheidende Unterschied – herrscht weniger Unzufriedenheit unter den Angestellten dieser Berufssparte. Merkmale des Pflegesystems in den USA:
Wer sich mit dem Thema Pflege und Pflegebedarf beschäftigt, geht meist davon aus, dass dies eine Herausforderung im Alter werden wird. Immerhin sorgen steigende Lebenserwartung und bessere medizinische Versorgung dafür, dass die Bevölkerung statistisch gesehen immer älter wird. Doch auch bei jungen Leuten sollte das Thema nicht außer Acht gelassen werden, Unfall oder schwere Krankheit können auch hier bereits den Bedarf einer Pflege auslösen. Neben der enormen psychischen Belastung für die Betroffenen und Angehörigen stellt sich hier natürlich auch die Kostenfrage. Ob stationäre oder ambulante Pflege gewählt wird, der finanziell enorme Aufwand stellt viele Familien vor eine enorme Herausforderung – zudem sind die Angehörigen pflegebedürftiger Kinder meist finanziell benachteiligt, denn wie Ergo Direkt erläutert, übernehmen die Familien die Pflege meist selbst, worunter dementsprechend auch die beruflichen Perspektiven leiden. Selbst der Bezug von Pflegegeld kann dieses fehlende Einkommen häufig kaum ausgleichen.
Hinzu kommt, dass die meisten stationären Einrichtungen vor allem auf ältere Personen mit Pflegebedarf ausgerichtet sind, spezielle Adaptierungen für junge Personen sind sehr selten. Abgesehen davon sind Pflegekräfte in ihrer Arbeit mit Pflegebedürftigen der jüngeren Generation mit mehr Arbeitsaufwand und höherem Einsatz gefordert. Womit die Kosten steigen und weitere Herausforderungen entstehen. Auch die Unterstützung im Alltag und die Ausrichtung der Pflege auf die Wiederherstellung der Unabhängigkeit im normalen Leben sind kostenintensiver als bei älteren Personen. Da die gesetzlichen Pflegeleistungen hier kaum ausreichen, ist eine entsprechende Pflegeversicherung anzuraten. Auch wenn in jungen Jahren kaum jemand damit rechnet, krank zu werden oder einen Unfall zu erleiden, ist diese günstige Vorsorgemaßnahme um wenige Euro pro Monat im Fall der Fälle genau die Maßnahme, die das Leben im Krankheitsfall oder nach einer schweren Verletzung lebenswert machen kann.
Wer sich den Aufwand für Pflegeeinrichtungen und Leistungen in unterschiedlichen Ländern ansieht, wird feststellen, dass gerade diese Ansprüche in Deutschland deutlich unterfinanziert sind. Denn staatliche Unterstützung gibt es meist erst ab einer erheblichen Beeinträchtigung, auch wenn mithilfe des Pflegestärkungsgesetzes, das nun in Kraft treten wird, einiges verbessert wird. Zu beachten ist, dass es in den meisten Fällen mehr Sach- als Geldleistungen gibt, was nicht immer eine echte Hilfe für den Betroffenen darstellt. Gerade die steigende Zahl Demenzkranker stellt hier eine besondere Herausforderung dar, der der Staat nur langsam und schleppend nachkommt.
Da sich gerade diese Krankheit massiv weiter entwickelt und immer mehr Patienten umfasst, ist hier ein Umdenken seitens der Gebietskörperschaften notwendig. Ein erster Ansatz kann im Pflegegesetz II gefunden werden, der jedoch im Vergleich zu Pflegesystemen in anderen EU-Staaten und in den USA noch erheblichen Aufholbedarf hat.
In den USA selbst existiert zwar keine dominierende Institution zur finanziellen Absicherung Pflegebedürftiger, diese wird dafür jedoch durch verschiedene Stellen gewährleistet – darunter verschiedene soziale Hilfsprogramme, freiwillig abgeschlossene Pflegeversicherungen und Sparverträge sowie Selbstzahlungen im Pflegefall. Teilweise greifen den Betroffenen außerdem Medicaid bzw. Medicare unter die Arme:
Eine ebenfalls bekannte wie auch beliebte Form der Absicherung des Pflegerisikos sind neben der klassischen privaten Pflegeversicherung außerdem die sogenannten „home equity conversions“ –Verträge, insbesondere sind hierbei die „reverse mortgage“ – Vereinbarungen zu nennen. Bei diesen wird vertraglich festgelegt, dass im Pflegefall der unbelastete Kapitalanteil des Wohneigentums des Pflegebedürftigen in das Eigentum der Bank übergeht.
Als Gegenleistung erhält er dafür ein lebenslanges Wohnrecht und ebenfalls lebenslange Pflegegeldzahlungen. Einen detaillierten Überblick über diese und weitere Formen beliebter Absicherungen des Pflegerisikos bietet das Diskussionspapier „Die Pflegefinanzierung und die Pflegeausgaben im internationalen Vergleich“.